OK, zunächst ist deine Lage ziemlich besch...eiden. Es ist zwar klar, dass du nur gut kannst, was dich interessiert, aber ehrlich gesagt erscheint die Suche nach einem interessanten Job in deinem Fall momentan etwas unrealistisch.
Dazu sind deine Interessen zu begrenzt und dir selbst zu wenig klar. Vor allem aber ist fraglich, warum sich Anbieter deinen Interessen entsprechender Jobs ausgerechnet für dich interessieren sollten. Sch..., klingt das jetzt bitter, aber ich muss so weit ausholen, um am Ende doch noch zu ein paar Tips für dich zu kommen.
Also da ist bei dir weder in Sachen Theorie (Schulabschlüsse) noch Praxis (Berufsausbildung, Praktika, Berufserfahrung, handwerkliche Fertigkeiten) besonders viel im Angebot, was auf dem freien Markt rechtfertigen könnte, dafür ein Gehalt zu bezahlen. Das heißt jetzt nicht, dass du nicht durchaus auch ein wertvoller Mitarbeiter werden könntest, doch für den ersten Eindruck erscheint das mit zu vielen Unsicherheiten behaftet.
Ein Gehalt nennenswert oberhalb der Hartz IV - Marke zuzüglich nicht unwesentlicher Lohnnebenkosten kann man schließlich auch anders investieren, dafür gibt es schon einen ganz passablem PC (monatlich) oder ein Leasing einer größeren Telefonanlage mit Support oder ein weiteres gemietetes Büro oder eben einen aussichtsreicheren Kandidaten als neuen Mitarbeiter.
Dann bist du für einen Einsteiger/Anfänger auch schon nicht mehr der Jüngste. Und es kommt noch dicker: Du schleppst allerhand Probleme mit dir herum wie fehlende Motivation, Aufschieberitis, Antriebslosigkeit und Konzentrationsstörungen, kurz gesagt depressive Tendenzen. Mit diesen Problemen wärst du für die meisten Arbeitgeber selbst dann noch uninteressant, wenn du Geld mitbringen würdest.
Apropos Geld mitbringen: Mit deiner reichhaltigen Erfahrung an Fernsehen und Internetsurfen bist du (wenn auch mit nur geringfügiger Kaufkraft) als Zielobjekt von Werbung interessant, also als Konsument, nicht als Produzent.
Weil Außenstehende nicht in deinen Kopf schauen können, ist es ganz normal, dass sie weniger die Ursachen deiner Probleme sehen (die sicher in der ADS liegen) als die Ergebnisse. Und im Ergebnis ist fehlende Motivation, mangelndes Durchhaltevermögen, nicht-bei-der-Sache-Bleiben, Antriebslosigkeit sowie ein Tagesablauf voller Schlaf, TV und Surfen auch nichts anderes als Faulheit, unabhängig von den Gründen.
Nun sollte das alles trotzdem kein Grund sein, den Kopf in den Sand zu stecken, im Gegenteil. Eigentlich hast du schon einen sehr herausfordernden und interessanten Job, auch wenn der derzeit nicht direkt bezahlt wird: Deine eigene Rehabilitation, dein Kampf gegen die Schattenseiten des ADS.
Damit geht es dir nicht anders als Schülern und Praktikanten: Viel mühsame Anstrengung als Investition in die Zukunft (und so jung bist du dann doch noch, dass noch viel Zukunft vor dir liegt). Deine Aufgabe ist jetzt, dich so weit wiederherzustellen, dass du deine ADS weitgehend unter Kontrolle hast und nicht sie dich, dass du wieder in der Lage bist, etwa Schul- und Berufsausbildungsabschlüsse nachzuholen und/oder nachhaltig Arbeitserfahrung zu sammeln. Dabei wäre es sehr hilfreich, ein paar Dinge zu ändern.
Deine ADS-Diagnose gab dir eine Erklärung für deine Probleme. Das war ein erster Schritt. Leider scheinst du dort stehen geblieben zu sein. Was ich nicht erkennen kann, ist dass du auch die Herausforderung angenommen hättest, die es bedeutet, sich damit weiterzuentwickeln. Im Moment scheinst du dich auf der Diagnose auszuruhen und nun erwartest du Wunder von Ärzten, die nichts als Medikamente zu bieten haben (bzw. von denen du auch nichts anderes willst).
Es gibt sicher einige erwachsene ADS'ler, die allein durch Medikation (oder auch ganz ohne Therapie im engeren Sinne) schon in der Lage sind, den Rest an Therapie (im weitesten Sinne: alles was hilft und gut tut) selbst in die Hand zu nehmen. Dazu gehörst du aber ebenso sicher NICHT.
Eigentlich weißt du ja selbst, dass es jahrelang nicht funktioniert hat, rein medikamentös die Probleme in den Griff zu bekommen. Bestenfalls kann das Medikament dich überhaupt therapiefähig machen, dass musst du dann aber auch nutzen.
MPH, wenn's denn vertragen wird, kann u.a. die Konzentration etwas verbessern und die Ablenkbarkeit verringern, Amph. selbiges vllt. etwas weniger. Allgemeine Antriebslosigkeit könnte vllt. mit Antidepressiva nachlassen, aber spezielle Motivationsprobleme, Entscheidungsschwäche, Ängste und Unsicherheiten, Kommunikationsprobleme und vieles andere mehr sind durch jahrzehntelange Erfahrung so tief in deinem Hirn verankert, dass sie nicht so einfach mit etwas Chemie in den Griff zu bekommen sind.
Die kriegt man nur so ähnlich weg, wie sie entstanden sind. Mühsam, aktiv, durch längere, ständige Wiederholung. So gehen Lernprozesse, so werden Nervenbahnen quasi von unerforschter Wildnis über Trampelpfade und Wege bis zu Autobahnen ausgebaut.
So ist z.B. bei dir nach Jahren der Weg zu sinnvoller Tätigkeit, der früher mal eine Autobahn war, fast zugewuchert und der ehemals unbedeutende Autobahnparkplatz "Fernsehen" wurde erst zur Raststätte umgebaut, dann zu einer Ausfahrt und schließlich führt die Autobahn selbst nur noch zu TV und Internet.
Das kann man auch wieder ändern, nur funktioniert das nicht per erhobenem Zeigefinger und auch nicht "einfach". Aber manchmal helfen schon geradezu lächerliche Tricks. Hier wäre einer:
Ich habe mir, als es mir beinahe ähnlich ging, im Baumarkt für 5 Euro eine Zeitschaltuhr besorgt, um für mich und meine Kinder das Fernsehen auf bestimmte Zeiten (etwa die, wo meine Frau auch mal gerne was schaut) zu begrenzen. Die steckt jetzt an der Stromversorgung des Antennenverstärkers im Keller.
Obwohl es ein leichtes wäre, in den Keller zu gehen und sie Zeitautomatik abzuschalten, hat es funktioniert. Der Weg in den Keller war auf meiner Autobahn (schlechten Gewohnheit) einfach nicht vorgesehen.
Man könnte eine Vollsperrung auf dieser Autobahn einrichten (Fernseher rausschmeißen), manchmal hilft aber auch schon eine kleine Baustelle, um den Verkehr umzuleiten.
Wenn du noch ein starkes Motiv brauchst, um dich vom Fernseher zu lösen: Dass Fernsehen verblödet, ist wasserdicht wissenschaftlich nachgewiesen, aber auch für den Laien in der Lebenswirklichkeit unschwer nachzuvollziehen, z.B. beim Zusammenhang Fernsehkonsum und Schulleistung. Auch bei Erwachsenen erscheint eine umgekehrte Proportionalität von Intelligenz und TV-Konsum wahrscheinlich.
Kein Problem ist Fernsehen, wenn entweder im Job sowieso kaum eigene Intelligenz gefordert ist oder wenn man nach anspruchsvollem, stressigen 10-Stunden-Arbeitstag und anschließender Sorge um Haushalt und die Schulprobleme der Kinder einfach etwas runter kommen und den Kopf frei bekommen will.
Wenn der Tag aber neben TV kaum Höhepunkte bietet, schlägt die Fernsehwirkung voll ins Minus.
Was das Internet betrifft, vielleicht hilft dir diese Adresse als neue Startseite:
Onlinewahn oder auch
diese hier oder
diese ;-)
Jedenfalls braucht dein Alltag erstmal eine andere Struktur. Deine ADS wiegt mit all ihren Begleitstörungen zu schwer, als dass du dich allein an den Haaren aus dem Sumpf ziehen könntest. Deine Rettung bedarf eigener Anstrengung (statt Therapieverweigerung) aber auf diesem Weg solltest du Hilfe in Anspruch nehmen, die dich begleitet und anleitet.
Eine ambulante Verhaltenstherapie neben der Medikation wäre schon besser als nichts, aber eigentlich ist das ein Therapiemodell, das eher für Berufstätige vorgesehen ist und/oder für Eltern, die ihre Kinder nicht wochenlang allein lassen können. Die haben genug Struktur im Alltag, um neues Verhalten aus der Therapie im Alltag auch umzusetzen.
Dir würde ich eher eine stationäre Reha empfehlen, gern auch mit Ansätzen zur beruflichen Wiedereingliederung. Da wird man in einer geschützten Umgebung an die Berufstätigkeit herangeführt.
Im Übrigen solltest du unter Menschen kommen bzw. bleiben. Real, nicht nur virtuell. Naturgemäß mehr Verständnis für deine Probleme findest du in Selbsthilfegruppen, was ich aber auch nicht in Überdosis empfehlen würde (vllt. einmal monatlich), damit sich nicht zu viel nur um Probleme dreht (Da lernst du leicht Leute mit noch viel größeren Problemen als deinen kennen).
Sport ist auch dazu eine gute Gelegenheit und sowieso sehr hilfreich. Da ist es doch praktisch, dass du kein Übergewicht mit dir herumschleppst und ein sportliches Hobby hast (BMX).
Was außerdem oft sehr gut tut, ist der Umgang mit Tieren. Solange du kein "Händchen" für deren Pflege hast oder auch nicht das nötige Kleingeld und solange du nicht absolut zuverlässig deren Versorgung sicherstellen kannst, sollten das aber nicht gleich eigene Haustiere sein.
Weils so lang wurde, hier noch mal eine kurze Zusammenfassung: Deiner düsteren Bilanz der gegenwärtigen Lage muss ich leider zustimmen, aber das man daran nichts ändern könnte, halte ich für einen schweren Denkfehler.
LG
Steffchen