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Autor Thema: kann man sich je verlassen?  (Gelesen 159 mal)
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digger
Andersweltler
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« am: Januar 30, 2011, 22:07:26 »

hallo an alle,

ich bin neu, weiß auch garnicht, ob ich richtig bin. ich recherchiere schon lange und irgendwie hab ich das gefühl, das ich doch richtig bin  icon_eek

ich bin eine frau, und mit meinem mann 14 jahre zusammen, wir haben 3 kinder, haben haus gebaut und führen eigentlich eine glückliche ehe.
mein mann war immer anders, als alle anderen (vielleicht habe ich mich auch deshalb verliebt;-) ). jedoch hat mich über die jahre nie in ruhe gelassen, warum sich manche dinge (die für mich und auch unsere umwelt selbstverständlich sind) nie ändern.
eigentlich bin ich über seine mutter zu dem thema ADHS gekommen (sie ist 60), und wenn, sie es hat, nie diagnostiziert. aber bei ihr treffen alle typischen anzeichen zu, das leben mit ihr war immer sehr schwer, aber in der familie ist sie immer nur mit einem "die hat einen klopfer" abgewitzt worden.

mein mann, um ihn kurz zu beschreiben, war immer schon sehr begabt, war aber immer aussenseiter, eigenartig, hatte nie wirklich freunde, war aber sehr an komplexen themen interessiert, hatte oft schule gewechselt, nie beendet (zu seiner unzufriedenheit), hat in der jugend drogen genommen (später dann alkohol), ist ein begabter (und gut verdienender) programmierer geworden, hat sich aber auch da immer wieder gelangweilt. hat sich letztendlich selbständig gemacht (und hätte fast alles (und das war sehr viel) verloren, aufgrund unstrukturiertheiten).

er verlegt täglich seine schlüssel, kalender, handy (und sucht stundenlang)
er kann sich (aber nur zeitweise) sehr schwer in andere hineinversetzen
er kennt keine struktur (seine eigene :-) )
haushalt: no comment
er nimmt jede kritik persönlich
sagt dinge, die er aber dann widerum abstreitet gesagt zu haben
braucht nach überreizung alkohol (nicht oft, aber wenn, bis zum vollkommenen anschlag)
kann unter stress nicht schlafen, oder nur noch schlafen
sagt zu, dass er dinge erledigt, und vergisst oft
wenn er eine phase hat, wo er offensichtlich unter druck ist, dreht sich alles nur um ihn
er ist entweder extrem euphorisch oder total pessimistisch
schiebt die schuld gern auf andere, hat auch eine vollkommen eigene logik zu den dingen, und lässt sich nicht davon abbringen
lügt manchmal, wenn er unter stress ist (sagt ja und meint nein, etc.... (also kleinigkeiten, aber doch)
früher ist er richtig "ausgeklinkt", heute passiert das 1-2x im jahr, wo er richtig "abhaut"
etc
etc

wir führen aber ein normales leben, mit vielen freunden (es ist ihm mit den jahren immer besser gegangen, auch, als wir von seiner heimat und seiner mutter weggezogen sind), unternehmen viel

also mir scheit, als hätte er diese "anfälle" in phasen, zwischen durch ist er "stinknormal" und dann kommt wieder ein anfall...

also, es gibt keine diagnose, weil ich selbst erst durch eigenrecherchen draufgekommen bin, dass das unerkanntes ADHS sein könnte. weil ich nicht verstanden habe, dass man NICHTS ändert, wie kann man ständig seine sachen nicht finden. wieso kann man nach 14 jahren NICHT seine socken aufheben, warum bringt er nie eine sache zu ende? usw. da dachte ich mir, vielleicht ist da was anderes??

wie gesagt: wir lieben uns, es war nicht immer (oder ist) nicht leicht mit ihm, ich wusste, dass er anders ist, dachte aber immer, dass er sich schon entwickeln wird---was er auch getan hat, aber bestimmte "ticks" gehen und gehen nicht weg.

nun, das alles würde mich nicht stören, oder tut es nicht, weil mein mann wirklich ein sehr guter vater und lieber mann ist (er hat übrigens keine aggressionen!), jedoch kann ich mich sehr schwer auf ihn verlassen.
und ich weiß auch, dass er es nicht böse meint, aber ich muss IMMER nachfragen, ihn IMMER erinnern, un das ermüdet--vorallem, in bezug auf die kinder, wenn er mit ihnen alleine ist und ich 100x sagen muss (bitte hauben nicht vergessen, oder jause) und dann vergisst er natürlich immer.

wird das jetzt immer so bleiben? angenommen, er geht zu einem arzt und lässt sich mal einer diagnose unterziehen, kann man diese unstrukturiertheit und vergesslicheit in griff bekommen?

ich habe meinem mann erst vor wenigen tagen vorsichtig auf das thema angesprochen, dass das ja auf ihn zutreffen könnte und er hat nur mit "das trifft auf jeden zu" geantwortet.
aber ih weiß, dass er dinge macht, die "normale" menschen nicht machen, bzw. sie irgendwann ändern-aber er SCHAFFT es nicht (und er will).

wie bringe ich ihn dazu, einen arzt aufzusuchen? wie gehe ich jetzt damit um? ich habe natürlich nach 14 jahren schon meine "strategien" entwickelt, wie ich mit IHM umgehe (unwissenderweise), aber natürlich, wenn es hilfe GÄBE, ein bisschen die symptome in den griff zu bekommen, wäre ich nicht unglücklich, weil es das leben doch manchmal unnötig anstrengt und ich gerade in krisensituationen verzweifelt bin, warum er es nicht kapiert.

lang geworden, sorry
eure digger
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Hexe76
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« Antworten #1 am: Januar 31, 2011, 11:49:32 »

Hallo digger,

erstmal noch 

Das Problem mit uns ADHSlern ist, dass wir selber schon so lange mit uns und unsren Macken leben - uns fallen sie oftmals nicht so sehr auf, wie "Außenstehenden"
Ich kenne grundsätzlich das Problem mit den vielen, vielen Kleinigkeiten, die den Partner in den Wahnsinn treiben können. Mein Mann dürfte auch öfter an seine Grenzen stoßen....
Aber die Dinge, die ihm auffallen, sind für mich selber keine Probleme, sonder halt einfach....hmm.... Eigenheiten, die mich speziell machen.....

Du wirst Deinen Mann nur dann dazu kriegen, sich diagnostizieren zu lassen, wenn entweder sein eigener Leidensdruck groß genug ist (so war es bei mir und sicher auch vielen anderen hier), oder wenn er zumindest einsieht, dass DU einen immensen Kampf zu führen hast, um euren Alltag irgendwie am Laufen zu halten.
Diese zwei Optionen hast Du meiner Meinung nach.

Sein Spruch, dass das alle haben, zeigt wohl, dass er Angst davor hat, medizinisch "anders" zu sein als die restliche Bevölkerung und stigmatisiert zu werden.
ADHS ist immer noch eine heikle Geschichte und wird von vielen nicht anerkannt.
Es ist zeitweise schwer, da selber nicht den Mut zu verlieren.
Wenn so viele sagen, dass ADHS nur ne Modediagnose ist und eigentlich nicht existent - dann kommt man hin und wieder ins Grübeln.....
Der nächste Knackpunkt ist Unwissenheit.
Auch Unwissenheit macht Angst.
Was weißt Du über ADHS und was weiß Dein Mann über ADHS? Eure Kinder scheinen es nicht geerbt zu haben?
Versuche herauszufinden, warum Dein Mann nichts davon wissen will und versuch nicht, ihn von Deinem Wissen zu überzeugen. ADHSler sind furchtbar stur.... 
Verstehe seine Ängste und versuch sein Wissensdefizit auszugleichen. Dann hat er evtl. auch Interesse an einer Diagnosestellung.
Versuch ihm klarzumachen, was Du Dir davon erhoffst - allerdings solltest Du es eher damit begründen, dass Du Dir wünschst, dass ER es leichter in seinem Leben hat.
Wenn er versteht, dass es möglich ist, das Leben etwas einfacher zu haben, wird er vielleicht neugierig genug, um den Stein selber ins Rollen zu bringen.

Aber bis dahin - stöbere Dich durchs Forum und such für Dich selber Hilfe. Schau, wie wir mithilfe kleiner Tricks und Kniffe etwas besser mit unsrem Alltag zurechtkommen. Vielleicht kannst Du davon was in euren Alltag integrieren, ohne es über ADHS laufen zu lassen.
Zum Bsp das mit dem Schlüssel, Handy, Kalender. Versuch einen Platz zu schaffen, wo er das alles bewusst ablegt und zwar wirklich nur dahin.
Die erste Zeit wird er weiter regelmäßig suchen, aber wenn er bereit ist, sich darauf einzulassen, kommt irgendwann eine gewisse Routine rein.
Mein eigener Schlüssel ist auch nur an einem einzigen festen Platz zu finden und ich achte akribisch drauf, ihn dort zu lassen.
Nur das mit dem Handy muss ich noch üben 

Ich habe mehrere Kalender (haben glaub  ich einige hier  )
Der wichtigste ist einer, der im Computer ist und von dort aus wiederum mit meinem Handy verlinkt und mit dem Laptop.
Ich kann zumindest den Kalender an sich nicht verlieren....
Für wirklich wichtige Termine gibts dann auch schon mal Alarmfunktion, damit ich das nicht vergesse.
Es ist manchmal lästig, wenn plötzlich das Handy losbimmelt und man weiß nicht mal warum, aber ohne das wäre ich aufgeschmissen.

Er kennt keine Struktur und dann schreibste gleich, seine eigene. Na also - er hat doch Struktur, nur nicht die übliche... 
Wenn er damit zurecht kommt, dann lass es wie es ist. Ich würde da eher nur kleinere Änderungen anstreben, aber das "Grundgerüst" stehenlassen.
Die Struktur eines "normalen Menschen" (im Forum gern "StiNo" genannt) ist für mich keine Struktur. Das würde mir nur extrem einengen und ich würde erst recht Fehler machen  :ja:

So, dann stöbere mal los und ich drück Dir die Daumen, dass Du einen Weg findest, euch das Leben zu erleichtern.  :wu:

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papillonindigo
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« Antworten #2 am: Januar 31, 2011, 16:52:59 »

Hallo digger,

Mit druck wirst du sicher nicht viel erreichen bei ihm... Manchmal braucht es zeit bist einem selber bereit ist davon zu hören...

Vielleicht ist eine von ihre kindern auch betroffen? Manchen kommen auch so auf die diagnose.

Was du machen kannst, weil du wirklich dein mann nicht dazu zwingen, ist dich selber schlau zu machen. Um ihm besser zu verstehen, um auch noch einiges zu lernen wie mit ihm umzugehen.

Selber habe ich die diagnose ADS, und vermute meine freund hat es auch, aber sich testen lassen will er nicht. Aber mich hat schon geholfen mit ihm so zu umgehen wie wenn seine vergesslichkeit und unpünktlichkeit ADS wäre... Es hilft schon. Ab und zu mache ich eine klein scherz darüber wenn er seine autoschlüssel sucht: "bin ich wirklich die einzige hier mit ADS?". Habe schon mit ihm darüber geredet dass er es auch haben kann, was er nicht ganz abstreitet, aber etwas machen will er nicht... Seine leidendruck ist auch nicht sehr gross und ich komme eingentlich mit seine "ADS-zügen" klar.

lg
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« Antworten #3 am: Januar 31, 2011, 19:40:22 »

Ich denke nicht, dass man ihn momentan dazu bekommen kann, zu einem Arzt zu gehen und sich einer diagnose zu unterziehen. Oder irgendwie einzusehen, dass er eine Andersartigkeit hat, von der es Sinn macht, sie in ein psychiatrisch-klinisches Störungsbild zu fassen, weil sie für einen selbst und für andere mit einem gewissen Leidungsdruck verbunden ist, den man mittlerweile häufig sehr gut behandeln und beenden kann.

Aber vielleicht wäre es schon ein enormer Gewinn, wenn er vielleicht merken würde, dass er jetzt doch nicht ganz so ist, wie andere. Also, dass andere die Socken sehen, die auf dem Fussboden liegen. Und sich deshalb gestört fühlen und sie wegtun - wenn es ihre sind. Wohingegen wenn es sie des Mannes sind (oder was anderes vom Mann) ... kriegt der vielleicht irgendwann wieder die Krise, weil ... nicht nur durch ihn (was ja schon schlimm genug ist...), sondern auch noch durch andere (mit absicht um ihn zu ärgern - in seiner Interpretaiton) sein Zeug verschwindet...

Wenn man ihn da dazu bringen könnte zu sehen, dass es den meisten Menschen da eben doch eher anders geht als ihm und er deshalb vielleicht doch mehr Rücksicht nehmen sollte (...oder seine Frau für ihre jahrzehntelange grosse Rücksicht mehr würdigen ...), dann wäre vielleicht schon viel gewonnen.

LG,
MrsKleeblatt
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Donovan
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ADS Diagnose - Holländer in Deutschland


« Antworten #4 am: Februar 01, 2011, 01:24:42 »

Das Wichtigste: Zuerst mal auf einem gleichen Kenntniss-Stand kommen. Es wird sehr schwierig, wenn 1 Person an ADHS denkt und die andere an etwas Anderes.

Es gibt einige Büchlein über ADHS, die die Symptome gut auflisten. Die Du erwähnst sind ja fast alle dabei. Zusammen ein solches Büchlein lesen kann viel helfen.

Als Einstieg ist "Zwanghaft zerstreut" sehr gut, weil so viele verschiedene Formen von ADHS gezeigt werden.

Falls die Vermutungen sich bestätigen könntet Ihr vielleicht einen Psychotherapeut besuchen, damit eine Diagnose gestellt werden kann. Das kann ziemlich dauern, vor allem bei Erwachsenen.

Danach gibt es einige Möglichkeiten für eine Therapie. Die über Coaching bis zu Medikamenten reicht (oder eine Kombination).

In diesem Stadium kann das Buch (leider nur auf English) "ADHD - living without brakes" helfen, weil dort sehr gut coaching Strategien aufgelistet werden. Zwar für Eltern gedacht für Ihre Kinder, aber fast 99% übertragbar auf Erwachsene.

Viel Glück!

Oh PS: Bitte versuche nicht den Eindruck bei Deinem Mann zu wecken, dass er "kaputt" ist und "geheilt" werden muss. Das kommt ersten nicht an, zweitens macht das sogar viele Türe zu und drittens kann er (falls es ADHS ist) nicht geheilt werden - höchstens könnt Ihr Wege drum herum finden (was sich fast als geheilt anfühlen kann).
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Gruss, Donovan.

"Falls Du verpasst hast es zu Vermeiden: Mag es, Beende es oder Verändere es - Motzen ist keine sinnvolle Reaktion."
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