ich bin ein Student mit ADS-Diagnose und lese hier im Forum seit einiger Zeit mit.
Obwohl ich es super finde, dass es hier ein extra getrenntes Forum für ADS/Hypoaktivität gibt,
wundert es mich umso mehr dass hier kaum über das Sluggish Cognitive Tempo (SCT)-Konzept
(Link zur englischen Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Sluggish_cognitive_tempo) geredet wird-
obwohl es ja nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen vermutlich sogar eine eigene
Aufmerksamkeitsstörung neben ADHS darstellen soll.
Daher jetzt meine Fragen:
Gibt es hier jemanden mit ADS, der sich selbst oder andere betroffene Menschen darin besonders wiedererkennt?
Welche Behandlung hat hierbei wirklich geholfen??
Für alle, die sich mit diesem Thema noch nicht so auskennen und lieber etwas auf Deutsch lesen wollen,
hier noch ein kurzer Ausschnitt aus dem sehr guten Handbuch für Erwachsene von Dr. Barkley (ADHS-Spezialist aus den USA) dazu:
(Hoffe, dass es bei dieser Länge noch gerade im Rahmen des Erlaubten ist.)
Gute Nacht und viele Grüße :zwink:,
"Wenn das Störungsbild von ADHS nicht so richtig auf Sie zutrifft
Die Fachperson, die Sie auf ADHS getestet hat, erklärt Ihnen vielleicht, dass Sie möglicherweise einen bestimmten «Subtyp» von ADHS haben.
Das DSM-IV unterscheidet drei dieser Subtypen:
1. Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typus.
2. Vorwiegend unaufmerksamer Typus.
3. Mischtypus
Die drei Subtypen von ADHS:
•Der Mischtypus ist der häufigste (ca. 65% oder mehr aller klinischen Fälle) und zugleich der schwerste ADHS-Subtyp.
Er umfasst alle Merkmale, die in den 18 DSM-Kriterien enthalten sind. Kein anderer Subtyp ist so gründlich erforscht worden
wie der Mischtypus: In den letzten 100 Jahren wurden Tausende von Studien über diese Gruppe veröffentlicht.
•Der vorwiegend hyperaktive Typus wurde 1994 identifiziert. Personen mit dieser Form von ADHS erfüllen die Kriterien der Unaufmerksamkeit nicht in dem Maße,
dass man ihnen einen Mischtypus diagnostizieren könnte. Sie haben hauptsächlich Schwierigkeiten mit impulsivem und hyperaktivem Verhalten.
•Heute geht man davon aus, dass der vorwiegend hyperaktive Typus in den meisten Fällen lediglich ein frühes Entwicklungsstadium des Mischtypus darstellt.
Immerhin entwickeln 90 % aller Personen, die vorwiegend hyperaktiv sind, innerhalb von drei bis fünf Jahren so viele Probleme mit Aufmerksamkeit und Ablenkbarkeit,
dass man ihnen den Mischtypus diagnostizieren kann. Die übrigen 10% haben offenbar eine leichtere Variante des Mischtypus.
•Personen, die vorwiegend Aufmerksamkeitsprobleme haben, jedoch nicht hyperaktiv sind und auch keine Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle haben,
wird der vorwiegend unaufmerksame Typus diagnostiziert. Dieser Subtyp wurde erstmals um 1980 beschrieben und macht etwa 30%
oder mehr aller berichteten klinischen Fälle aus. Viele dieser Fälle sind lediglich leichtere Formen des Mischtypus.
Das Problem ist, dass diese Unterteilung die Diagnostik mitunter verworrener macht, da sich die einzelnen Gruppen überschneiden
und genaugenommen eher verschiedene Schweregrade als klar umschriebene Typen bezeichnen. Es ist daher anzunehmen,
dass die Unterteilung in dieser Form in der nächsten DSM-Ausgabe (das DSM-V erscheint voraussichtlich 2013) nicht übernommen wird.
Um das Ganze noch komplizierter zu machen: 30 bis 50% der Personen, die dem überwiegend unaufmerksamen Typus zugeordnet werden,
haben möglicherweise gar keine ADHS, sondern etwas, das manche Wissenschaftler (ich selbst auch),
als «träges kognitives Tempo» (sluggish cognitive tempo, SCT) bzw. als eine unabhängige Aufmerksamkeitsstörung bezeichnen.
Treffen die folgenden Merkmale auf Sie zu? Einige scheinen das genaue Gegenteil von ADHS zu sein:
• Tagträumen, geistige Abwesenheit
• Vor sich hinstarren
• Langsame Bewegungen, langsames Arbeitstempo
• Hypoaktiv, lethargisch, träge
• Leicht irritierbar
• geistig «benebelt»
• Langsame und häufig fehlerhafte Informationsverarbeitung
• Mangelnder Aufmerksamkeitsfokus oder Unfähigkeit, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden,
vor allem, wenn sie rasch verarbeitet werden müssen
• Schwierigkeiten, Lerninhalte dauerhaft zu erinnern
• Zurückhaltend, schüchtern oder in sich zurückgezogen
• Im Vergleich zum ADHS-Mischtypus eher passiv und zögerlich als impulsiv
• Anderes Muster von Begleitstörungen als bei ADHS:
-Seltener Störung mit oppositionellem Trotzverhalten
-Seltener antisoziales Verhalten oder Störung des Sozialverhaltens mit Lügen,
Stehlen, Schlägereien
-Häufiger ängstlich und depressiv
-Schwierigkeiten bei schulischem Arbeiten rühren eher von Fehlermachen als
von verminderter Produktivität her.
Falls dieses Muster eher auf Sie zutrifft, sollten Sie die Fachperson, die Sie auf ADHS testet, darauf hinweisen.
Über dieses Syndrom - ob es sich nun um einen anderen ADHS-Subtyp oder um eine eigenständige Aufmerksamkeitsstörung handelt-
ist wissenschaftlich so wenig bekannt, dass es in diesem Buch nicht weiter verfolgt wird."
Quelle: Russell A. Barkley: Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS. Verlag Hans Huber, Bern 2012, S. 49f.
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