ich habe mich eben gerade erst hier angemeldet, nachdem ich das Thema "Partner mit Erwachsenen-Diagnose" teils gelesen und teils überfolgen habe - und ich dort in vielen Bereichen "meine Beziehung" zu 100% wiedererkannt habe. Und ich möchte mich da jetzt aber erstmal ungerne einklinken, damit ich nicht "meine eigenen Themen" da reinmische.
Deswegen ein neues Thema - ich hoffe, das ist in Ordnung.
Mein Partner (37) hat (noch) keine offizielle ADHS-Diagnose [Und ich hoffe, dass ich jetzt dann trotzdem hier nicht falsch bin!] - allerdings bin ich mir sicher, dass sich das ändern wird, wenn er mal eine diagnostische Abklärung macht/ machen würde. Seine Mutter (selbst Ärztin) hatte solch eine Abklärung schon vor über 15 Jahren initiiert - allerdings hat mein Partner damals die Termine nicht wahrgenommen und sich dagegen gesperrt. Und ggü. seinen Eltern reagiert er auf solche Versuche insgesamt ausgesprochen allergisch - weshalb von der Seite nur noch manchmal "durch die Blume" etwas kommt.
Heute haben wir mal wieder eine ausführliche Unterhaltung geführt über seine Desorganisiertheit im Beruf und Alltag, seine Schwierigkeiten "Wichtiges von Unwichtigem" zu unterscheiden, seine Schwierigkeiten zu fokussieren und sich zu begrenzen und auf eine Sache zu konzentrieren - und über noch diverse andere Dinge, die schwierig sind (.... da könnte ich Bücher drüber schreiben

Mittlerweile geht er damit reflektierter um und sieht die Probleme auch selbst - allerdings hat er mit dem Umgang nach wie vor Schwierigkeiten - und diese "Einsicht" hält auch nie lange vor. Also wir müssen uns diese Einsicht in Gesprächen immer wieder neu erarbeiten. Dann ist er motiviert und hat tausend Ideen dazu - und kurz drauf sind wieder andere Dinge wichtig.
Er versucht die Probleme im Alltag zu überspielen, sucht Ausreden und Erklärungen - und da ist er auch wirklich kreativ. Ich glaube, ihm fällt das selbst schon gar nicht mehr auf, dass er das tut.
Ich bin die einzige Person in seinem Umfeld, die ihm diese Rückmeldung über sein Verhalten geben darf - bzw. von der er dieses Feedback annehmen kann und anfängt nachzudenken - ohne unter die Decke zu fliegen (meistens zumindest). Wenn er doch mit starker Impulsivität reagiert, muss ich (aus Eigenschutz) die Auseinandersetzung/ Diskussion sofort beenden, weil ich damit selbst nicht umgehen kann und das für mich auch zu nichts führt. Wir raufen uns dann aber auch i.d.R. zeitnah wieder zusammen.
Jedenfalls habe ich ihm aufgrund der Unterhaltung heute dann mal alle klassischen Symptome und Verhaltensweisen von "Erwachsenen mit ADHS" vorgelesen (ich bin ja auch schon lange der Meinung, dass das sein Problem ist) - und wir mussten beide zwischendurch immer wieder lachen, weil einfach alles passt wie die Faust auf's Auge - selbst der Verlauf in der Kindheit.
Daraufhin habe ich ihm vorgeschlagen, dass es doch mal sehr sinnvoll wäre, das diagnostisch abklären zu lassen - womit ich tatsächlich auch auf Anklang gestoßen bin. Gleichzeitig habe ich ihm angeboten, ihn dabei zu unterstützen - was er tatsächlich auch angenommen hat.
Aktueller Stand: er hat jetzt eine Telefonnummer von unserer ansässigen Uni-Ambulanz für Menschen mit ADHS - und ich werde ihn morgen daran erinnern, dass er dort anruft und einen Termin vereinbart.
Ebenfalls habe ich ihm angeboten, bei einem etwaigen Termin mitzukommen und ihn dort zu unterstützen, bzw. auch eine "Außensicht" mitzuteilen.
Heute bin ich erstmal wahnsinnig froh, dass er einer Abklärung zugestimmt hat. Das ist ein Durchbruch, mit dem ich gar nicht mehr gerechnet hätte. Allerdings weiß ich nicht, wie lange das bei ihm vorhält - und wie ich ihm die entsprechende Unterstützung geben kann, ohne seine "Mama" zu sein, die ihm alles abnimmt.
Ich glaube, deswegen melde ich mich hier in erster Linie... weil wir in der Beziehung schon ganz oft an dem Punkt waren, dass er einsichtig war und sich Hilfe holen wollte - und das Vorhaben dann in der Versenkung verschwunden ist. Und ich weiß aber, dass er einen hohen Leidensdruck hat - den er versucht gut zu verstecken und zu unterdrücken.... mehr oder weniger erfolgreich - und mit sehr negativen Folgen für ihn und für unsere Beziehung (und auch darüber könnte ich Bücher schreiben


... und um das alles hier noch einigermaßen zu vervollständigen - noch ein paar Hintergrundinformationen - Entschuldigung für diese Ausführlichkeit, aber bei mir stellt sich gerader der "Flow" ein:
Ich selbst (31) bin (schon lange) in therapeutischer Behandlung und habe mein eigenes Paket zu tragen - und an der Stelle ist mein Partner wirklich sehr sehr sehr verlässlich und hilfreich und verständnisvoll - und äußerst unterstützend. Er ist wahnsinnig (hoch)sensibel, empathisch, feinsinnig und intelligent. Überhaupt ist er als Mensch und Partner der einzige, den ich mir vorstellen kann und mit dem ich gerne mein Leben verbringen möchte.
Und unsere Beziehung ist aber trotzdem schon immer auch ein Belastungsfaktor, weil er sich gleichzeitig nicht mit seinen Problemen auseinandersetzt - und ich bin der Überzeugung, dass wir beide an unseren eigenen Themen arbeiten müssen, damit wir langfristig ein Leben zusammen führen können. Da haben wir auch schon drüber gesprochen.
Wir waren von 2010 bis 2013 schon mal in einer Partnerschaft - bis ich mich getrennt habe, weil ich sein Verhalten und seine "Auswüchse" nicht mehr mittragen konnte und wollte. Die ganzen Konflikte damals ließen sich nicht mehr klären, und meine Kraft war aufgebraucht. Und trotzdem wusste ich auch in der Zwischenzeit (ohne Kontakt), dass er mir als Mensch weiterhin wertvoll ist und dass es nicht an seiner "inneren Person/ seinem Wesen" lag, dass es nicht funktioniert hat. Sondern an diesen (für mich damals nicht nachvollziehbaren) Verhaltensweisen.
Seit Ende 2016 leben wir wieder in einer Partnerschaft - mit allen Höhen und Tiefen.
Und ich merke zunehmend deutlich, dass sich etwas verändern muss, damit wir eine Perspektive haben können.
Weil ich ganz ganz oft hilflos bin seinen Verhaltensweisen gegenüber. Und ich ihn gerne unterstützen wollen würde - es aber ganz oft nicht kann - oder meine "Interventionen" keinen/ den gegenteiligen Effekt haben und er sich unter Druck gesetzt oder von mir bevormundet fühlt.
Im Endeffekt übernehme ich derzeit seine komplette Alltagsorganisation, weil er das nicht alleine hinbekommt. Bearbeitung von Post, Behördenkram, Arzttermine, alle anfallende Büroarbeit bzgl. seines Berufs (er ist Servicetechniker und die ganze Woche unterwegs) - Spesenabrechnung, Berichte be- und verarbeiten, alles organiseren; Urlaub planen. Dafür sorgen, dass er Anträge rechtzeitig stellt; an Banküberweisungen erinnern - oder "daneben sitzen", bis er es tut... usw usw........ von Haushaltstätigkeiten fange ich gar nicht erst an.
Und wenn ich das nicht mit ihm zusammen tue - dann sammelt sich das einfach so lange auf einem Papierhaufen an, bis der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht (mehrfach schon erlebt).
Und wenn ich den Haushalt "liegen lasse", verschimmelt alles, bis ich die Lebensmittel inkl. Behältnis entsorgen kann (auch schon erlebt - da haben wir allerdings nicht in einer gemeinsamen Wohnung gelebt).
Und wenn ich mich nicht mit ihm zusammen um seine arbeitstechnischen Belange kümmere - verliert er den Job (auch schon erlebt).
Grundsätzlich mache ich diese Organisationsarbeit sogar gerne.... ich mag Organisation und Planung und Sicherheiten und und und. Und trotzdem haben wir deshalb permanent Auseinandersetzungen. Eigentlich jedes Wochenende, weil da die angefallene Büroarbeit der ganzen Woche auf den Tisch kommt - und nur da sehen wir uns. Und das belastet natürlich ungemein. Er fühlt sich von mir unter Druck gesetzt - und blockiert dann komplett....... und ich sehe die "zu erledigen-Liste" - und würde das gerne abarbeiten, damit wir in Ruhe Zeit zusammen verbringen können......... (und an sich wären die Dinge sogar innerhalb kürzester Zeit erledigt, wenn man da effektiv rangeht).
Und ich bin mir halt nicht sicher, inwiefern ich da von ihm mehr erwarten kann und sollte - und inwiefern ich eine Abhängigkeit und Unselbstständigkeit unterstütze, wenn ich diese Dinge erledige.... oder ob das "ok" ist, das zu tun, weil er an der Stelle halt wirklich ein Defizit hat (... und das hat er ganz offensichtlich).
Ich kann von meiner Position heraus halt nach wie vor nicht davon abrücken, zumindest ein "Bemühen" von ihm zu erwarten.... und das fehlt mir ganz oft... oder ich sehe das nicht.
Wir treffen konkrete Absprachen - und er 'vergisst' das 10 Minuten später, oder es kümmert ihn nicht mehr, weil etwas anderes "ganz plötzlich" wichtiger ist.
Wir vereinbaren einen Zeitrahmen/ Zeitpunkt - es klappt nicht.
Wir schreiben zusammen einen Aufgaben/ "zu erledigen"-Plan - Papier ist geduldig. Aber sowas von geduldig.
Er schreibt "selbst" einen Plan - der hat dann nach 2 Stunden 4 DIN A4-Seiten dicht beschrieben mit Inhalten, die ich mir schon gar nicht mehr anschauen will.... (und ja, da hab ich leider keine Energie für übrig, weil das so weit weg ist von dem Ursprungsthema....)
naja... ich verliere mich gerade auch in Details. So ausführlich wollte ich eigentlich gar nicht berichten. Jetzt ist es halt so geworden.
Ich erhoffe mir hier jetzt (unbekannterweise) Feedback, wie ich meinen Partner im Alltag sinnvoll unterstützen kann - und v.a. auch Hilfe/Rückversicherung auf dem Weg, der jetzt ansteht.... Termin zur Diagnostik usw.... weil ich davon ausgehe, dass das mit dem heutigen besprochenen Vorhaben nicht "einfach so" getan sein wird.
Und vielleicht auch Meinungen dazu, was ich ihm zumuten kann und erwarten darf - und wo es besser wäre, aktiv da zu sein. Ich investiere gerne meine Ideen und meine Energie dafür... nur bin ich irgendwann auch begrenzt, weil ich auch noch was für mich brauche... und auf Dauer klappt das so nicht
Danke an alle, die sich bis hierher durchgekämpft haben

liebe Grüße,
Anne